08.01.2024: Protest der Bauern und Landwirte in Karlsruhe

Zu einem bundesweiten Aktionstag verschiedener Bauern- und Landwirtschaftsverbände hat es auch in Karlsruhe einen Protestkonvoi gegeben. Laut Veranstalter haben sich rund 400 landwirtschaftliche Fahrzeuge und etwa 100 weitere Fahrzeuge beteiligt.

Grund für den Protest sind angekündigte Kürzungen bzw. Abschaffung der Agrardieselsubventionen und der KfZ-Steuerbefreiung. Die angekündigten Kürzungen wurden teilweise zurückgenommen oder zeitlich verschoben.

Querdenken beim Konvoi in Karlsruhe

Während sich der große Teil der Bauern und Landwirte in Karlsruhe auf ihre Probleme in Form von wirtschaftlichen Schwierigkeiten und drohenden Finanzkürzungen aufmerksam machten, waren es vor allem Privatfahrzeuge, auf denen versucht wurde einen Volksaufstand herbei zu phantasieren, und krude Verschwörungen zu verbreiten.

Ein paar Menschen aus dem Umfeld des anarchistischen Netzwerk ANIKA und anderen linken Gruppen haben die Proteste kritisch solidarisch begleitet. Zum Ausdruck wurden Transparente auf der Startkundgebung gezeigt und entlang der Fahrtroute aufgehängt.

Neben dem Verständnis für die Anliegen der Bauern und Landwirte wurden auf den Transparenten auch grundlegende Probleme angesprochen und Veränderungen in Bezug auf Finanzstrukturen, Klimaschutz oder die Abschaffung der Schuldenbremse angesprochen.

Die angekündigten Subventionskürzungen sind teil eines Sparmaßnahmenpakets, die die Bundesregierung auf Grund eines Finanzdefizits von rund 30 mrd Euro im aktuellen Haushalt umsetzt. Die Einführung der sogenannten Schuldenbremse begrenzt das Investitionsvolumen und sorgt immer wieder dafür, dass derartige Sparmaßnahmen auferlegt werden müssen. Meist treffen diese den sozialen Bereich.

Fälschlicherweise wurden die Kürzungen der Agrardieselsubventionen als Maßnahme zum Klimaschutz dargestellt, was vor allem rechten Akteuren in die Hände spielt ihren Hass gegen die „Grüne Ideologie“ darauf zu projizieren.

Auswirkungen der Kürzungen sind umstritten

Während in der Öffentlichkeit ein Bild gezeichnet wird, das ein voranschreitendes Höfesterben prognostiziert oder enorme Preissteigerungen bei Lebensmitteln erahnen lassen könnte, sind die Auswirkungen der Subventionskürzungen weniger drastisch. Eine Umlage auf die Lebensmittelpreise würde beispielsweise zu einer Verteuerung von etwa 0,3 Cent für einen Liter Milch oder ein Kilogramm Mehl führen.

Weitreichende Probleme in der Landwirtschaft

Das befürchtete Höfesterben ist schon längst im Gange. So mussten in den letzten 10 Jahren mehr als 35 000 Höfe in Deutschland ihren Betrieb einstellen.

Grund dafür ist vor allem die Entwicklung weg von kleinen und mittleren Betrieben, hin zu Großbetrieben in der Agrarindustrie.

Ein weiteres Problem ist der zunehmende Erwerb landwirtschaftlicher Flächen durch Finanzinvestor:innen bei gleichzeitigem Rückgang der Gesamtflächen, die für die Agrarwirtschaft zur Verfügung stehen. Einhergehend steigen die Pachtbeträge für alle, am stärksten jedoch für kleine Betriebe.

Zudem kommt es zunehmend zur Bildung von Unternehmensgruppen, die in steigender Zahl durch außerlandwirtschaftlichen Akteur:innen geführt werden.

Neben all diesen Problemen, die seit Jahrzehnten im Gange sind, spielen zunehmend Umwelt- und Klimaschutzpolitische Maßnahmen eine Rolle.

Während sich in der jüngeren Vergangenheit viele Bauern und Landwirte gegen Maßnahmen wie die Düngeverordnung oder neue Stallverordnungen ausgesprochen haben, gab es durchaus auch progressive Ansätze.

So wurden im Rahmen der Zukunftskommission Landwirtschaft und der Borchert-Kommission in Zussammenarbeit von u.a. Bauern- und Landwirtschaftsverbänden, Umwelt- und Klimaschutztorganisationen Vorschläge für eine soziale und ökologische Transformation erarbeitet. Diese Vorschläge wurden von den Regierungen der letzten Jahre großteils ignoriert.

Die angekündigten Subventionskürzungen mögen bei vielen Landwirten und Bauern die Existenzängste verstärkt haben und sie tragen ihren Unmut auf die Straße. Die anstehenden Verteilungskämpfe gehen gleichzeitig mit gesamtgesellschaftlichen Problemen einher, auf die nur durch progressive Entwicklungen geantwortet werden kann.

Daher ist es wichtig die Problematiken nicht zu vereinfachen und populistischen Strukturen Tür und Tor zu öffnen. Es ist um so wichtiger diejenigen zu Unterstützen, die an eine sozialen und ökologischen Entwicklung ansetzen.

Versuchte Vereinnahmung …

herbeifantasierter Volksaufstand

Im Vorfeld der Proteste wurde auch in Karlsruhe versucht, die Proteste der Bauern und Landwirte zu vereinnahmen. So waren es allen voran Personen aus dem Querdenkenspektrum, die in verschiedenen Orgagruppen einen Generalstreik ausrufen wollten, zu Neuwahlen, einem Sturz der Regierung aufgerufen und die Gruppen für AfD-Propaganda und zur Verbreitung von Verschwörungsideologien nutzten. Während die AfD selbst alle Subventionen beenden möchte und keine Zukunftsstrategie verfolgt, versucht auch die CDU/CSU Kapital aus der Situation schlagen, die sie selbst mit zu verantworten hat.

Auf dem überwiegenden Teil der Traktoren in Karlsruhe war hingegen der Slogan „Die Landwirtschaft ist bunt nicht braun“ zu lesen. Dieser richtet sich gegen die Vereinnahmung ihrer Proteste durch rechte Gruppen und Parteien.

Dies lässt hoffen, dass das Interesse an einer zukunftsorientierten Agrarwirtschaft überwiegt.

Infoseiten: https://gruene-gewerke.fau.org/ , https://www.abl-ev.de , https://www.junge-abl.de , https://www.wir-haben-es-satt.de/