Redebeitrag zur Kundgebung gegen Polizeigewalt am 7. Mai 2022 in Karlsruhe

Am 7. Mai 2022 versammelten sich etwa 60 Personen zu einer Kundgebung gegen Polizeigewalt auf dem Kronenplatz in Karlsruhe.

Der Anlass für die Kundgebung war ein Polizeieinsatz in Mannheim, in dessen Folge ein 47 jähriger Mann verstorben ist.

Wir dokumentieren den Redebeitrag von Vertreter*innen des anarchistischen Netzwerk ANIKA:

Am 02. Mai 2022 wurde ein Mann in Mannheim von der Polizei angegriffen und ist im Anschluss verstorben. Deshalb stehen wir heute hier.
Die Polizei wurde von einem Arzt des Zentralinstituts für seelische Gesundheit zur Hilfe gerufen. Ein 47 Jähriger soll sich in einer psychologischen Notfallsituation befunden haben.
Doch statt dem Mann zu Helfen, setzten die hinzu geeilten Polizeibeamten erst Pfefferspray gegen das Opfer ein, um ihn anschließend auf dem Boden zu fixieren und auf den Gefesselten einzuschlagen. Infolge dessen musste dieser wiederbelebt werden und verstarb anschließend im Krankenhaus.
In Teilen der Bevölkerung machte sich Betroffenheit über den Tod des 47 jährigen Mannes, der als friedliebend beschrieben wird, breit. Gleichzeitig versucht ein anderer Teil, allen voran die Gewerkschaft der Polizei jegliche Kritik an den Beamten abzuweisen und gar eine mögliche Schuld bei dem Hilfesuchenden zu suchen.
Diese Reaktionen sind nicht neu. Sie tauchen immer dann auf, wenn Menschen in besonderem Maße von Polizeigewalt betroffen sind.

Während sich die Empörung in der Regel auf einen kritischen Personenkreis und diejenigen, die die Betroffenen kannten beschränkt, wird von einem erheblichen Teil der Gesellschaft mit aller Macht versucht das Narrativ einer unfehlbaren Polizei, die in erster Linie Freund und Helfer sein soll, zu erhalten. Allen voran haben es sich die Polizeigewerkschaften zur Aufgabe gemacht nicht nur die Beamt*innen im Dienst zu vertreten, sondern die Institution Polizei vor jeglicher Kritik zu bewahren und hat damit auch die mangelhafte Fehlerkultur innerhalb der Polizei auf die Gewerkschaften übertragen.
Wenn wir einen kritischen Blick auf die Polizei werfen möchten, müssen wir das Verhältnis dieser Institution zum Staat und seiner kapitalistischen Wirtschaftsform betrachten. Die Polizei soll als scheinbar neutrale Institution dafür sorgen, dass sich alle den auferlegten Normen unterordnen. Die zweite Aufgabe der Polizei ist der Schutz von Eigentum.          
        
Bei Fehlverhalten soll diese Unterordnung ebenso wie der Schutz von Eigentum notfalls mit Gewalt durchgesetzt werden. Am Ende der möglichen Gewaltspirale stehen entweder Freiheitsentzug, im         schlimmsten Fall auch der Tod.         
Diese Ausführung zeigt, dass die Polizei allein auf Grund ihrer Aufgaben keine neutrale Institution sein kann. Sie handelt im Auftrag und im Sinne derer, die politisch und ökonomisch bessergestellt oder mächtiger sind. Und die Anwendung von Gewalt ist ein zentraler Bestandteil ihres Wirkens.
Im Durchschnitt werden in Deutschland etwa 10 Menschen im Jahr durch den Schusswaffengebrauch der Polizei getötet. Deutlich mehr werden verletzt. Inzwischen weisen etwa 50% der Todesopfer psychische Störungen auf, oder befinden sich in einer psychischen Ausnahmesituation. So auch im aktuellen Fall aus Mannheim.
Dies ist nicht verwunderlich.
Im Handbuch „Einsatztraining: Professionelles Konfliktmanagement für Polizist*innen“ erfahren wir, dass laut WHO jeder vierte Mensch im Laufe seines Lebens von psychischen oder neurologischen Beeinträchtigungen betroffen ist. Generell werden Menschen mit psychischen Problemen oftmals stigmatisiert oder diskriminiert. Sie entsprechen nicht immer den normierten Verhaltensvorstellungen. Zudem wird die Problematik oft falsch eingeschätzt und Gefahrensituationen wahrgenommen, die zunächst keine sind. Eine Eskalation wird meist durch Frustration auf Grund eines fehlenden Verständnisses gegenüber den Betroffenen herbeigeführt.
Hinzu kommt, dass einige Betroffene mehrfach Erfahrungen mit der Polizei machen müssen. Von über 10 000 Fällen illegaler Polizeigewalt geht eine Studie der Universität Bochum aus. Die wenigsten werden überhaupt zur Anzeige gebracht. Lediglich in 7% der angezeigten Fälle wird überhaupt Anklage erhoben.
Auf Grund der oben genannten Aufgaben der Polizei sind alle, die nicht ins vorgeschriebene Idealbild der Gesellschaft passen, Migrant*innen, Obdachlose, ökonomisch Benachteiligte oder eben psychisch Beeinträchtigte häufig mit der Polizei konfrontiert.
Bleiben wir der Aktualität wegen bei psychisch Beeinträchtigten Menschen und dem Hilferuf nach der Polizei. Für viele dieser Menschen sind die Beamt*innen in ihrer Uniform und schwer bewaffnet eher eine Bedrohung als eine Hilfe. Kommt eine negative Vorerfahrung oder Unverständnis der Beamt*innen gegenüber den Betroffenen hinzu, ist eine Eskalation nicht weit.
Auf Videos ist zu sehen, dass das Opfer aus Mannheim von den Beamten davon gelaufen ist und von diesen verfolgt wurde. Offensichtlich war er nicht bereit, deren „Hilfe“ anzunehmen. Bezahlt hat er dafür mit seinem Tod.
Die Polizei ist in erster Linie teil eines Repressions- und Machtapparates, die diejenigen schützt, die auf der angeblichen Gewinnerseite der Gesellschaft stehen. Sie ist weder Freund noch Helfer, vor allem nicht für die, die am Rande der Gesellschaft stehen oder nicht in die vorherrschenden Normvorstellungen passen.
Die mangelhafte Fehlerkultur und die Kritikunfähigkeit auf Seiten von Polizei, Justitz und Politik sorgen dafür, dass Polizeigewalt absolute Normalität dieses Berufsstandes ist.
Wir werden diese Verhältnisse nicht von heute auf morgen ändern können.
Wir fordern jedoch die sofortige Einrichtung einer unabhängigen Prüfstelle gegenüber der Polizeien und die sofortige Abrüstung dieser.
Zudem brauchen wir dringend eine gesellschaftliche Auseinandersetzung über den Umgang mit Gewalt, Ausgrenzung und Unterdrückung. Eine Auseinandersetzung im Sinne einer transformativen Gerechtigkeit, die zwangsläufig die Abschaffung der Institution Polizei zur Folge haben muss.
In Gedanken bei den Todesopfern und allen von  Polizeigewalt Betroffenen!
No Justice – No Peace!