Zwischen rechten Narrativen, Lügen und Egozentrik – ein Kommentar zur (Groß-) Kundgebung von Querdenken 721 am 03. Juni 2021 in Karlsruhe

Für den 03. Juni 2021 ruft Querdenken 721 zu einer Kundgebung in Karlsruhe auf. Der Kopf dieser Gruppierung und Anmelderin Güzey Inge Israel wird auch zu diesem Anlass nicht müde die Verbindungen von Querdenken und deren Anhängern zu rechten Narrativen und Strukturen zu negieren und zu behaupten, dass diese Vorwürfe lediglich erfunden wären, um ihrer Bewegung zu schaden. Wir möchten den Blick etwas genauer auf die Akteure und deren Inhalte lenken.

Am 29. Mai veröffentlichte Güzey Inge Israel ein Statement in dem sie behauptet, dass es weder in ihrem Freundeskreis noch in dem ihr bekannten Umfeld der Demoteilnehmer und Organisatoren politisch rechts orientierte oder anderweitig ideologische Menschen gebe. Eine Lüge, die sie zum wiederholten Male verbreitet. Sie seien alle friedlich, die Mitte der Gesellschaft. Dass ein antifaschistisches Bündnis zu Gegenprotesten aufruft ist für sie absolut unverständlich. Sie wirft den Antifaschist*innen Hass, Verleumdung und gar Volksverhetzung vor.
Die Autor*innen dieses Kommentars widersprechen und bezichtigen Frau Israel hingegen der Lüge und absichtlichen Irreführung.

Angekündigte zum 03. Juni 2021

Über Michael Ballweg, die Führungsperon der Querdenkenbewegung ist der Öffentlichkeit genug bekannt. Das größte Aufsehen dürfte sein organisiertes Treffen mit dem reichsbürger und verurteilten Rechtsextremisten Peter Fitzek, seineszeichens selbsternannter König von Deutschland erregt haben. Ballweg schaffte es hinterher noch immer zu behaupten, dass dieser weder Reichsbürger noch rechts wäre. Frau Israel scheint diese Einschätzung zu teilen.

Gunnar Kaiser, der einen eigenen Youtubekanal betreibt und wird dem sogenannten klassisch libertären Spektrum, wie es in erster Linie in den USA zu finden ist, zugeordnet. Kaiser veröffentlichte Ende Januar einen Text in dem er in Frage stellt, ob ältere Menschen es überhaupt Wert sind weiter leben zu können, wenn dies mit Einschränkungen für Kinder zwangsweise verbunden ist. Genau um dieses Thema geht es am 03. Juni in Karlsruhe. Eine ähnlich menschenverachtende Verlautbarung ist von ihm auch hier zu erwarten.
In der jüngsten Vergangenheit war er sich nicht zu schade Martin Sellner, Führungsfigur der Identitären Bewegung eine Plattform zu bieten und dessen menschenverachtende Aussagen annähernd unwidersprochen stehen zu lassen. Seit Beginn der Corona-Pandemie äußert sich Kaiser zunehmend im Duktus der Neuen Rechten, greift Themen wie die sogenannte CancelCulture auf und bezieht sich beispielsweise positiv auf Oswald Spengler, einen Vordenker der Identitären Bewegung.

Wolfgang Greulich ist schon länger im Kreis der Schwurberlbewegung aktiv. Auf Kundgebungen meint er beispielsweise „Das ist beinahe Schlimmer als das was man uns vor 75 Jahren erzählt hat“. NS-Vergleiche sind in dieser Szenerie gerne gesehen. Die Corona-Pandemie bezeichnet Greulich als „Lügen- und Betrugskampagne“ hinter er unter anderem Bill Gates steckt. Er ist jedoch der Meinung dass „solche Pläne“ schon deutlich älter seien und greift damit uralte antisemitische Verschwörungsideologien auf.

Bernd Bayerlein fiel in der Vergangenheit in erster Linie mit Falschbehauptungen über Kinder auf, die auf Grund des Tragens von Masken gestorben seien. Zudem ist er der Meinung, dass in Deutschland aktuell Zustände wie in der DDR herrschen. Eine Erzählung, die ebenfalls aus dem Umfeld der Neuen Rechten kommt und u.a. im Umfeld von PEGIDA große Verbreitung fand.

Kilez More, ein Rapper, der sich selbst als Infokrieger sieht und sich der Trutherszene zuschreibt. In seinen Texten finden sich von Klimawandelleugnung über Verschwörungen zu 9/11, Chemtrails oder der Neuen Weltordnung.
Letztere ist eine Verschwörungsideologie, die in den 90er Jahren aus den Kreisen von christlichen Fundamentalist*innen, rechten und esotherischen Autor*innen geschaffen wurde. Die Erzählung knüpft an die antisemitische Idee einer geheimen Elite, die die Weltgeschehnisse lenkt, an.

Diese Erzählungen spielen in den Chatgruppen der Querdenker von Anfang an eine große Rolle und erfreuen sich innerhalb der Neuen Rechten je her großer Beliebtheit. Sie dienen zudem als Schnittstelle zur sogenannten Reichsbürgerszene.


In Karlsruhe nimmt sowohl die Reichsbürgerszene, als auch die Neue Rechte sichtbar viel Platz, nicht nur in der als erstes gegründeten Coronarebellen Karlsruhe Gruppe, auch in der Gruppe Querdenken 721 und auch der Karlsruher Gruppe von Nachbarn stehen auf, ein.

Rechte Narrative bei den Karlsruher Querdenkern

Die Gründung der Querdenken 721 Gruppe geht u.a. auch auf eine Auseinandersetzung mit diesen Szenen zurück. Frau Israel war eine derjenigen, die meinte, dass vor allem durch die Überpräsenz von Q-Anon Anhänger*innen und Trumpfans das eigentliche Thema unterzugehen drohe. Dies sollte sich in der neuen Gruppe ändern und tat es zunächst zumindest ein Stück weit auch. Die Tatsache, dass sich die neu gegründete Gruppe mit den selben Profilen füllte gab Anlass zur Skepsis.
Ingbert Jüdt war kurzzeitig als Admin eingesprungen und hat die Aufgabe übernommen, der Verbreitung von Inhalten, vor allem aus Richtung der Reichsbürgerszene, einhalt zu gebieten. Ende letzten Jahres hat er diese Aufgabe wieder abgegeben. Er wirft den Querdenkenorganisator*innen in einem Statement auf seiner Internetpräsenz vor, die Verbindungen zu dieser Szene aktiv zu gestalten. Deren Inhalte hält er für mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.

Güzey Inge Israel hätte spätestens zu diesem Zeitpunkt wissen müssen, dass die rechte Szene ein aktiver Part der von ihr erschaffenen Chatgruppe ist. Die Autor*innen dieses Textes werfen ihr daher bewusste Täuschung vor.

Spätestens im Zeitraum der US-Wahlen wurde in den verschiedenen Chatgruppen der Karlsruher Querdenker offensichtlich, dass die Q-Anon-Bewegung und mit ihnen einige Trumpisten allgegenwärtig sind. Auch die Erstürmung des Capitols wurde als notwendiger Aufstand des Volkes gegen die Machteliten gefeiert. Ein interessanter Punkt dabei ist, dass diese Meldungen u.a. von Sven, dem Mitstreiter von Israel geteilt wurden.

Die Narrative der Neuen Rechten sind in diesen Chatgruppen, explizit auch in der Chatgruppe von Querdenken 721 allgegenwärtig.
So zum Beispiel das Narrativ der einzig vorhandenen Opposition, mit dem ein egozentristischer Totalitarismusansatz verfolgt wird. Alle anderen gesellschaftlichen Akteure werden somit gleich gesetzt und zum Feind erklärt. Dieses Narrativ kennen wir nicht nur von der NPD aus der frühen Zeit der Neuen Rechten. Auch PEGIDA und die AFD, bzw. deren österreichisches Pendant, die FPÖ, bedienen dieses. Es wird verbunden mit dem Anspruch die einzige Wahrheit zu kennen. Hier besteht ein fließender Übergang zwischen Truther, Reichsbürger, Neuer Rechter und mit einhergehend die Anknüpfung an antisemitische Verschwörungsideologien.

Kontakt Frauenbündnis Kandel
Demo für Alle bei Querdenken

 

Videos von AfD und FPÖ werden regelmäßig vom Gruppenaccount der Querdenkengruppe gepostet bzw. geteilt und stehen somit in direktem Zusammenhang mit Güzey Inge Israel.

 

 

Ein weiteres zentrales Narrativ ist die Verdrehung von Begrifflichkeiten und historischen Kontexten. Vergleiche mit der NS-Zeit, der DDR oder wahlweise anderen Diktaturen ohne jegliche inhaltliche Differenzierung.
Im Mittelpunkt steht in erster Linie der Freiheitsbegriff. Bezug genommen wird hier vor allem auf die Meinungsfreiheit und sonstige kaum näher definierte Freiheiten. Eine inhaltliche Differenzierung findet auch hier nicht statt. Während die einen die Freiheit des Volkes in der Gestaltung starrer Grenzen sehen, geht es anderen in erster Linie um ihre ganz persönliche Freiheit. Diese mündet nicht selten in egoistischem Denken, welches die Freiheit der Anderen nicht weiter berücksichtigt.

 

Immer wieder geht es darum, dass nicht gesagt werden darf, wer die ominöse Elite denn sein mag. Auch hier findet sich ein Narrativ, mit dem die rechte Szene seit vielen Jahren ihren Antisemitismus zur Schau stellt. Illuminaten, Politiker*innen, die die Kinder entführen und bezahlte Schlägertrupps, die mal von Soros oder anderen Geldgebern bezahlt werden sind typische Kommentare.
„Die Antifa“, wahlweise als Merkeljünger bezeichnet, auch hier ein Überbleibsel aus der PEGIDA-Bewegung, wird zur modernen SA stilisiert. Eine Adressliste von angeblichen Antifaschist*innen wurde über die Gruppen verbreitet.

Zu guter Letzt möchten wir auf die stets hochgehaltene Verteidigung des Rechtsstaates eingehen. Wer den Akteuren etwas genauer zuhört findet auch hier schnell die Verbreitung neurechter Narrative.
Das Problem das gesehen wird ist, dass lediglich die falschen in den Entscheidungsgremien sitzen. Auf den Kundgebungen ist daher oft zu hören, dass die Verantwortlichen ihrer gerechten Strafe zugeführt werden, wenn man selbst erst einmal die Macht errungen hat.
Wer sich an großspurige Ankündigungen von Björn Höcke und Alexander Gauland, aber auch Lutz Bachmann oder „Merkel muss weg“ erinnert sollte hellhörig werden. In vielen Beiträgen geht es in erster Linie darum, dass die richtigen bestraft werden, nicht um die rechtliche Auseinandersetzung, die seit vielen Monaten durchaus geführt wird.

Wir möchten an dieser Stelle eines klar stellen. Es handelt sich bei vielen Anhänger*innen der verschiedenen Schwurbelszenen nicht um Nazis und auch nicht um Faschisten. Wir sehen auch die absolute Notwendigkeit sich kritisch mit den Maßnahmen rund um die Coronaverordnungen auseinander zu setzen.
Wir werden es jedoch nicht zulassen, dass unter dem Deckmantel scheinbarer Demokratiebewegungen rechte Narrative verbreitet und gefestigt werden. Alle Informationen hierzu sind öffentlich zugänglich. Und alle, die sich an diesen Zusammenhängen und ihrer Aktionen beteiligen tun dies in vollem Bewusstsein mit wem und mit welchen Inhalten sie sich gemein machen. Jede*r kann sehen, dass diese Gruppierungen und ihre Führungsfiguren kein Problem mit Rassist*innen, Nationalist*innen, Faschist*innen und Verschwörungsgläubigen haben.

Die Veranstaltung am 03. Juni 2021 zeigt, dass es keine Unterschiede zwischen den verschiedenen Karlsruher Akteuren gibt. Sie bewerben ihre Veranstaltungen gegenseitig und beteiligen sich gegenseitig an ihren Aktionen. Die jetzige führen sie gar zusammen durch.

Wir fordern die Organisatorin Güzey Inge Israel auf klar zu machen was ihre Ziele sind. Wir fordern von ihr eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Akteuren und eine Klarstellung ihres Standpunktes. Und wir fordern sie auf das Verbreiten von Lügen und die bewusste Irreführung der Öffentlichkeit zu unterlassen.

Überall dort, wo menschenverachtende Einstellungen geduldet werden gilt es sich diesen entgegen zu stellen und ihnen zu widersprechen!

Querdenker ist eine Selbstbezeichnung verschiedener Akteure der Chatgruppen von Coronarebellen Karlsruhe und Querdenken721. Zudem werden Veranstaltungen von Seiten eines Vereins mit dem Namen „Netzwerk Demokratie“ beworben und teils durchgeführt, der aus dem Umfeld der Partei „Deutsche Mitte“, welche in der Vergangenheit durch Wahlplakate in Anknüpfung an den historischen Nationalsozialismus aufgefallen ist.