Aktuell sorgt die „ExpoStation“ für viel Aufmerksam auf dem Gelände des Areal C, welches sich inzwischen lediglich durch seine Baustellen auszeichnet. Rund 90 Graffitikünstler*innen zeigen ihre Bilder an den Außenwänden der Gebäude. Finanziert u.a. durch die GEM-Ingenieursgesellschaft, die das Gelände neu bebauen möchte.
Was die GEM mit Kunst und Kultur zu tun hat? Genau genommen Nichts. Außer, dass durch ihrer Investitionen auf dem Areal C und rund um die Gablonzer Straße mehrere hundert Künstler*innen und vor Allem Musiker*innen ihre Räume verloren haben. Dies sorgte im Frühjahr für einige Aufregung in der Stadt Karlsruhe und führte dazu, dass sich selbst der Gemeinderat dazu gezwungen sah seine Unterstützung auszusprechen. Mehr als 15 Jahre wurde dem Themenfeld mit leeren Versprechungen und Aussitzen begegnet.
Und jetzt Alles gut?
Nach all den Jahren, in denen den verschiedensten Initiativen und Vereinen Steine in den Weg gelegt wurden ein Erfolg, oder zumindest eine Beruhigungspille. Mehrere Gemeinderät*innen haben deutlich gemacht, dass die Zustimmung zum neuen Kulturprojekt in der Schauenburgstraße unumgänglich war.
Dass die GEM mit der Vertreibung vieler Kulturprojekte in die Negativschlagzeilen gekommen ist, wollte sie nicht auf sich sitzen lassen. Dies zeigt ein kurzfristiges Krisentreffen, welches von höchster Stelle des Investors anberaumt wurde und einer möglichen „Eskalation“ entgegen wirken sollte. Jetzt die Finanzierung der „ExpoStation“ und nebenbei ist man sich mit der Stadt übereingekommen, dass in der Gablonzerstraße eine ca. 3000 m² große Fläche für Kultur bei der Neuentwicklung berücksichtigt werden soll. Finanziert mit Hilfe der Stadt!
Das, wofür Kunst- und Kulturinitiativen weit über ein Jahrzehnt kämpfen mussten, ist in Bezug auf einen Investor gerade eine Nebenbeiverhandlung wert. Und das, wo die GEM mit dem Verkauf und der Vermietung neu gebauter Wohnungen mehr als genug Geld verdienen wird. Dabei war Yvette Melchien von der SPD vor kurzem noch der Meinung, dass diese Investoren doch als Mäzene für Kunst- und Kulturprojekte einspringen sollten. 850 Euro der m², oder rund 2000€ Monatsmiete für eine 100 m² Wohnung in der Kussmaulstraße, auf dem Areal C und rund um die Gablonzer Straße. Ein Hoch auf den dringend benötigten Wohnraum, den sich die, die ihn am nötigsten haben, nicht leisten können. Und trotzdem muss die Stadt einspringen.
Die Karlsruher Bürgermeister hingegen zeigen, dass ihnen an einer Änderung dieser Politik nicht gelegen ist. Man sollte den „bösen Kapitalisten“ doch dankbar sein für vorübergehend günstige Mieten meinte Herr Mentrup im Gemeinderat.
„Es hat hier keine Vertreibung gegeben“, meint Sozialbürgermeister Martin Lenz in Hinblick auf das Areal C.
In der Öffentlichkeit kursiert die Darstellung, dass die Stadt und allen voran die GEM allen unter die Arme gegriffen hätten, um eine neue Bleibe zu finden.
Wir müssen dieser Darstellung entschieden widersprechen! Wir waren in den letzten Wochen und Monaten regelmäßig in den „Entwicklungsgebieten“ unterwegs und haben uns die Entwicklungen angeschaut und mit den Menschen gesprochen.
Die meisten Gewerbetreibende vom Areal C haben tatsächlich eine Alternative gefunden. Unterstützung haben sie dabei höchstens durch ein solidarisches Umfeld bekommen. Einige müssen in Zukunft ihre Zügel enger schnallen. Neben bezahlbarem Wohnraum ist es für kleine Gewerbe ebenfalls schwierig geeignete und bezahlbare Räume und Flächen zu finden.
Gleichwohl ist mit der Entstehung eines neuen Kunst- und Kulturzentrums der Bedarf lange nicht abgedeckt. Auch dieser Umstand ist der Stadt Karlsruhe bekannt.
Zumindest der Rückbau des Skaterplatzes des Jugendzentrums NCO hat es in die Öffentlichkeit geschafft. Fälschlicherweise wird der NCO als stadtteilorientierter Jugendclub bezeichnet. Mit Angeboten wie Parcours, Konzerten und eben einem Skaterplatz wurde dieser Jugendclub von jungen Menschen aus der ganzen Stadt besucht. Genau diese Angebote, die dieses Jugendzentrum so besonders machten, werden in Zukunft dort nicht mehr stattfinden. Dem Investor und dem vorgesehenen Klientel sind die Bedingungen und allem voran der Lärm nicht zumutbar. Eine Initiative von Skater*innen fordert zumindest einen Ausweichort, da die Anzahl an Skaterplätzen in Karlsruhe dem Bedarf nicht annähernd gerecht werden.
Die Initiative ist absolut zu unterstützen und gleichzeitig auch in einem Kontext zu sehen, der zeigt, dass öffentliche Plätze in Karlsruhe seit Jahren zunehmend, zumindest für bestimmte Menschen, unzugänglich gemacht werden.
Ein viel größeres Problem ist die Außendarstellung, dass alles dafür getan wird, um den verdrängten Menschen eine Alternative zu bieten.
In einem Gebäude in der Delawarestraße leben noch immer Menschen, die zum 31.10.2021 ausziehen müssen, jedoch keine neue Wohnunterkunft haben.
Das Haus ist von der Firma Zammitz angemietet und an die dort Wohnenden untervermietet. Die Mietverträge wurden für drei Jahre ausgestellt und die Bewohner*innen nicht rechtzeitig über den bevorstehenden Auszug informiert. Erst auf Initiative aus der Nachbarschaft ist dieser Umstand Mitte September an die Bewohner*innen herangetragen worden. Die GEM wusste zu diesem Zeitpunkt darüber Bescheid. Seit diesem Zeitpunkt wird in den Wohnungen wöchentlich der Strom abgeschaltet.
Wer den Wohnungsmarkt in Karlsruhe kennt, weiß, dass es annähernd unmöglich ist in dieser kurzen Zeit eine bezahlbare Unterkunft zu finden. Dank der Unterstützung einiger solidarischer Menschen, konnten für viele trotzdem Alternativen geschaffen werden. Ein paar der Bewohner*innen haben Stand 27.10.2021 keine neue Wohnung gefunden. Auch dieser Umstand ist der GEM bekannt. Spätestens seit dem 18. Oktober, an dem ein Bewohner bei der GEM nach einer möglichen Ausweichunterkunft nachfragte. Die Antwort lautete, dass die GEM keine Wohnungen zu vergeben hätte. Dies ist falsch. Die GEM verkauft und vermietet Wohnungen. Richtig ist der Umstand, dass sie ihre Immobilien zu Preisen vermieten möchte, die viele Menschen nicht bezahlen können. Solche angeblichen Alternativen gab es mehrere von Seiten der GEM.
Mit diesem Text machen wir erneut auf die Politik der Verdrängung in Karlsruhe aufmerksam. Die Ideen, dass Investoren, die in erster Linie Geld verdienen möchten, sozialverträglichen Wohnraum schaffen ist genauso abwegig, wie die Idee, dass sie freiwillig nötige Zuschüsse für Freiräume abgeben.
Der Umstand der Verdrängung ist allgegenwärtig und die Behauptung des Sozialbürgermeisters, diese würde nicht stattfinden, ein Hohn für alle Betroffenen.
Während die „ExpoStation“ für die einen ein Ort der Bewunderung ist, wirkt sie für die Betroffenen wie ein Schlag ins Gesicht. Die Blicke der Umherwandelnden kennen weder Scham noch Respekt.
Was bleibt ist die Tatsache, dass auch eine scheinbar progressive Mehrheit im Gemeinderat den Ausverkauf der Stadt weiter voran treibt und auf die, die es sich nicht leisten können, so wenig einen Blick hat, wie auf die, deren Zukunft sie gestalten wollen.
Der Widerstand gegen diese Entwicklungen bleibt den Bewohner*innen, die sich selbstbestimmt Nischen schaffen, sich gegenseitig unterstützen und ihren Unmut überall dort hin tragen, wo Ausgrenzung, soziale Spaltung und Vertreibung voran getrieben wird.