Seit dem Ausbruch der Covid-19 Epedemie ist ein altes Konzept in aller Munde: Solidarität und gegenseitige Hilfe.
In Zeiten der Krise kann Solidarität und gegenseitige Hilfe helfen, schlimmeres zu verhindern, diese Konzepte der zwischenmenschlichen Begegnung können zudem auch in die Zukunft weisen.
Gerade gründen sich mehr und mehr Gruppen, vor allem im Internet, die sich zum Ziel setzen, Menschen in großer Not Zugang zu Nahrung, Schlafsäcken, Kleidung oder medizinischen Gütern und Hygiene zu ermöglichen. Das ist toll! Konzepte der zwischenmenschlichen Beziehung, die auf Solidarität und gegenseitiger Hilfe beruhen sind im Stande so etwas zu realisieren. Gerade jetzt sind Menschen auf besondere Weise betroffen von dem Ausschluss und Zugriff auf Versorgung, Begleitung, Unterstützung und Hilfe.
In Zeiten der Krise, im speziellen während der aktuellen Covid-19 Pandemie, wird die öffentliche Versorgung auf ein Minimum zurück gefahren. Ausgenommen die Gesundheitsversorgung und die Versorgung mit Gütern für diejenigen, welche sie sich leisten können. Die Wirtschaft soll möglichst schnell wieder angekurbelt werden. Wer die Mittel hat, soll möglichst wenig Einschränkungen im täglichen Konsum hinnehmen müssen. Verwunderlich ist dies nicht.
Der Logik des vorherrschenden Wirtschaftsystems nach, dem Kapitalismus, stehen alle Güter erst einmal denen zur Verfügung, welche es sich leisten können, sie zu konsumieren. Konsum meint hierbei nicht die Notwendigkeit oder das Bedürfniss nach etwas, sondern erst einmal die Möglichkeit, für den Bedarf oder die Notwendigkeit, zu bezahlen. Zum Beispiel ist Wohnungslosigkeit ein Problem unserer Zeit – ein massives Problem. Jede/r kann davon betroffen sein. Eine persönliche Krise, eine Kündigung, Kinder als Alleinerzeihende/r können ausreichen, um auf dem Wohnungsmarkt nicht mehr konkurrenzfähig zu sein. Eine unzureichende Versorgung im Gesundheitswesen ist weitestgehend allen bekannt, welche eine seltene Erkrankung oder wenig anerkannte Symptome als gestzlich versicherte haben. Monate langes warten auf einen Facharzt- oder Therapeutent/innen Termin, gehören heute zur Tagesordnung. Menschen, welche vorrangig an der bestehenden Gesellschaftsform leiden (Vgl. Das unbehagen in der Kultur) und an diesem Leid psychisch erkranken, erleben dauerhaft die unzureichende Versorgung. Glücklich, wenn sie ein dezentrales soziales Netz haben, welches sie aufzufangen vermag. Auf dramatische Weise wird in Zeiten einer Krise wie der Covid-19 Epedemie klar, dass die am heftigsten Betroffenen, am wenigsten auf die Hilfe des vorherrschenden Wirtschafts-, Herrschafts- und Gesellschaftssystems vertrauen können.
Mensch kann entgegnen, dass sich ja gerade jetzt Menschen organisieren, um die vulnerablesten (verletzlichsten) Teile der Gesellschaft zu unterstützen. Das tun sie erstmal mit jedem menschlichen Recht und aus einer bitteren Notwendigkeit heraus. Gleichzeitig leben wir jedoch in einer Ordnung, welche sich auf die Fahnen schreibt: Wir kümmern uns um alle und jede/n. Im Sinne der kapitalistischen Logik ist dies richtig. Die Idee heißt: Wenn sich jede/r um sich kümmert, ist sich um alle gekümmert. Zurückbleibende Fragmente des nahezu abgeschafften und privatisierten Sozialstaates, versuchen, nach Möglichkeit diejenigen aufzufangen, die es nicht schaffen sich im wirtschaftlichen Sinne um sich selber zu kümmern. Wer aus diesem Raster fällt ist auf die Hilfe und Solidarität anderer angewiesen. Anderer Menschen, die sich in einer freien Vereinbarung dem Schutz von Menschen, Hilfebedüftigen und der Erde annehmen. Die bedinungslos Unterstützung leisten, die keinen Gegenwert als das persönliche Wohlsein und das zukünftige Vertrauen auf Hilfe und Solidarität in eigenen Notlagen erwarten.
Genau dieser Faktor unterscheidet die gegenwärtig verordnete und bei nicht Beachtung der Regeln unter Strafe gestellte Art der Solidarität, von staatlich verordneter und bedingungsloser Solidarität.
Eine Idee von bedingungsloser Solidarität und gegenseitiger Hilfe,
liegt den Gedanken und dem Streben hin zu einer fairen und schönen Welt für alle Menschen, Tiere und der Erde selbst, schon lange zugrunde. Immer wieder wird entgegnet, dass bedinungslose Solidarität und Hilfe nicht funktionieren könnte. Dieser Kritik kann Mensch die Frage nach Verlässlichkeit und Ehrlichkeit im Zwischenmenschlichen entgegenstellen. Arbeit in der gegenwärtigen Zeit ist ein Verhältnis der gegenseitigen Bedingungen. Der Boss fordert den Einsatz während die Arbeiter*innen den Lohn fordern. Wie vertrauensvoll und verlässlich sind diese Beziehungen? Jede/r der/die einmal aus unterschiedlichsten Gründen den Forderungen der Bosse oder Job-Center Berater/innen nicht nachkommen konnte, kennt den Moment in dem das “Vertrauen” bricht und Mensch alleine da steht. Von Solidarität und gegenseitiger Hilfe ist dann oftmals wenig zu spüren.
Ebenso verhält es sich in den bisherigen Krisen des Kapitalismus. Verluste wurden der Gesellschaft auferlegt, nachfolgende Gewinne blieben stets in der Hand der Besitzenden.
So verhält es sich auch in der aktuellen Krise, der Covid-19 Pandemie. billionenschwere Programme werden aufgelegt, um die aktuelle Form des kapitalisitschen Wirtschaftens in Zukunft zu sichern. Es geht um die Bewahrung des Status-quo in der Zukunft. Das Auskommen derer zu sichern, welche am schwersten unter der dezeitgen Krise leiden ist nur indirekt, wenn überhaupt, Ziel dieser Maßnahmen.
Das paradox der kapitalistischen Herrschaft bleibt bestehen: Es ist dem obdachlosen gleichermaßen erlaubt einen multinationalen Konzern zu kaufen wie dem multimilliarden schweren Unternehmen. Es ist beiden gleichermaßen verboten unter einer Brücke im Stadtgebiet zu schlafen.
Bedinungslose Solidarität und gegenseitige Hilfe als Konzepte des Zusammenlebens, als Form der freien Vereinbarung unter Gleichen, steht den oben beschriebenen Mechanismen seit langem entgegen. Jede/r der oder die gerade anderen hilft und der oder dem in Zeiten der sozialen Isolation, oder weniger zugespitzt, des “Social Distancing”, Gefühle der Nähe und zwischenmenschlichen Zufriedenheit zu Teil werden, erlebt und erfährt einen Funkenschlag des Möglichen.
Eine Gesellschaft freier Menschen, welche die Freiheit des/der anderen genauso achtet wie die eigene, ist keine abstrakte Utopie. Es mag im ersten darüber Nachdenken sehr kompliziert erscheinen, es mag zu dem Glauben führen, die Menschen seien dazu aufgrund der Komplexität nicht im Stande. Doch wie komplex ist die bestehende Gesellschaft? Wo endet das individuelle Verständnis für die Glaubenssätze dieser Zeit? Nach den Nachrichten? Nach dem Studium? Nach dem Fernsehabend? Beim Jobecenter oder als untergebene/r in der Firma?
Das vorherrschende Wirtschaftssystem, der Kapitalismus und die damit verbundenen Glaubensätze lassen täglich abermillionen Menschen auf der Welt vom Glauben abfallen, denn sie lösen sich nicht ein. Wer ackert und glaubt durch Anstrengung versucht über die Runden zu kommen um anschließend unverschuldet gekündigt und brotlos zu sein, glaubt bald nicht mehr an das Narrativ (eine Art Märchen) des Wachstums und hocharbeitens.
Wer heute Erfahrungen mit direkter und unverordneter Solidarität und gegenseitiger Hilfe macht, egal ob als Familienmitglied, Obdachlose/r, Solo-selbstständige/r, Pflegekraft oder was immer, tut gut daran diese Erfahrungen mitzunehmen in eine Zeit nach der Pandemie und der nachfolgenden Krise.
Diese Prinzipien und die gemachten Erfahrungen können die Basis sein, die Basis im kommenden Kampf um eine faire und schöne Welt für alle Menschen! Für eine freie und faire Gesellschaft, eine (Welt-)Gesellschaft, in der die Freiheit des einen die Solidarität mit allen anderen bedingt. Eine Welt, in der sowohl die Erde, als auch die freien und gleichwertigen Geschöpfe einen fairen Ort des Lebens haben, indem das Wir vor allem die Anderen sind.
Solidarity is Power! – Gegen die Ausbeutung und Herrschaft von Menschen über Menschen. Gemeinsam für ein ganz anderes ganzes!
Karlsruher Anarchisten aus ihrer Nachbarschaft